Turbulenzen in der Mieterpartei Mannheim
Unter dem neuen Absender „Mieterinitiative Mannheim“ veröffentlichte Karlheinz Paskuda auf facebook am 24. Juli eine Presseerklärung, in der er seinen Austritt aus der Mieterpartei bekanntgibt. Deren Mannheimer Ortsgruppe hatte er Ende Februar 2018 zusammen mit Ulrike Schaller-Scholz-Koenen (Steckenpferd e.V.) und unter Assistenz der Frankfurter Parteisektion gegründet. Gleichzeitig verließ er damals endgültig die Partei DIE LINKE, in der er die Mitarbeit schon seit 2014 eingestellt hatte. Die Erklärung hat folgenden Wortlaut:
„Undemokratische Strukturen in der MIETERPARTEI machen eine Mitarbeit unmöglich“
Die MIETERPARTEI mit Bundesvorstand in Berlin scheiterte in ihren Bemühungen, eine Liste für die Europa-Wahlen 2019 aufzustellen, an undemokratischer und rechtswidriger Vorgehensweise.
Es wurde eine Kandidatenliste für die EU-Wahl erstellt, bei der u.a. das rechtlich vorgeschriebene Delegiertenprinzip (§ 10 EuWG) außer Acht gelassen wurde. Hier hatte sich ein Mannheimer Mitglied ohne Basis-Votum auf Platz 1 der Liste wählen lassen: Eine Frau, die bisher weder für die Partei gearbeitet hatte noch irgendwelche inhaltliche Positionen vertrat bzw. darstellen konnte. Ich sowie weitere andere Mitglieder hatten eine EU-Kandidatur gar nicht im Sinn, da wir unseren Fokus in der Arbeit in Mannheim gesehen haben. Diese Kandidatenliste wurde nach Anfechtung durch Mitglieder der Ortsvereine Mannheim und Frankfurt zurückgezogen.
Darüber hinaus wird zurzeit in Mannheim mit Unterstützung des Bundesvorstandes rechtswidrig versucht, eine neue Parteigründung vorzunehmen, obwohl die Partei bereits Ende Februar gegründet wurde und eine gültige Satzung besitzt.
In diesen Strukturen, die offensichtlich nur darauf zielen, durch Mandate Macht und materielle Vorteile für persönliche Ziele zu erreichen, werde ich nicht mehr mitarbeiten.
Nach meinem politischen, demokratischen Grundverständnis ist es für mich in Ordnung, zu kämpfen, zu provozieren, zu streiten. Aber was nicht geht, sind die Verletzungen der demokratischen Grundsätze. Und dieses passiert zurzeit massiv in dieser kleinen MIETERPARTEI.Ich bin daher aus der MIETERPARTEI ausgetreten.
Auch weitere Mitglieder treten gerade aus. Die Partei wird von 12 auf ca. 4 bis 5 Mitglieder schrumpfen: Im wesentlichen scheinen in der Partei Mitglieder des Vereins „Steckenpferd e.V.“ aus Mannheim-Käfertal zu bleiben.
Auch die Frankfurter Ortsgruppe ist von den nicht nachvollziehbaren Handlungen des Bundesvorstandes bedroht; hier scheint es noch einen Kampf um die Partei zu geben.
Weiter ist es leider seit Februar nicht gelungen, genügend Mitglieder für die MIETERPARTEI Mannheim zu gewinnen, deren Hauptinteresse die Verbesserung der Wohnungspolitik, die Auseinandersetzung mit Miethaien, der Kampf gegen Gentrifizierung vor Ort ist.
Ich möchte mich weiterhin für eine gerechtere sozialere Wohnungspolitik engagieren. Das werde ich auch z.B. bei den Kritischen Aktionären von VONOVIA verstärkt tun. Und auch für die Arbeit bei AUFSTEHEN GEGEN RASSISMUS wird mehr Zeit bleiben. Aber zunächst werde ich erst Mal Urlaub machen.
Karlheinz Paskuda
Inwiefern die Kritik von Paskuda an der Mieterpartei berechtigt ist, ist von außen schwer zu beurteilen. Kenner der Szene erwarteten aber von vornherein, dass es um die Aufstellung der Kandidat*innenliste zur Kommunalwahl herum schweren Streit um Platz eins geben werde. DIE LINKE kommentierte Paskudas Austritt aus der LINKEN im Februar diesen Jahres u.a. folgendermaßen:
„Paskuda, der (…) schon lange nicht mehr im Kreisverband Mannheim der LINKEN aktiv war, und dies am 29.07.2014 auch öffentlich angekündigt hatte, erwies sich schon lange als unfähig zu Teamarbeit und Diskursen über strittige Themen. Wo er sich persönlich nicht durchsetzen kann, zieht er sich zurück und wartet kurze Zeit später mit „spektakulären“ Neugründungen oder Eintritten auf. Hiervon können diverse Mannheimer Initiativen und Organisationen ein Lied singen. Schon viele haben ernüchtert zur Kenntnis nehmen müssen, dass eine Handlungsmaxime der Förderung des persönlichen Ego untergeordnet zu sein scheint.“
Man fühlt sich im Übrigen erinnert an Stadtrat und „Rapper“ Julien Ferrat, dem die LINKE vor seiner Wahl in den Gemeinderat das Vertrauen entzogen hatte (eine Entfernung aus der Liste war terminlich nicht mehr möglich), der dann in Mannheim die Familienpartei (ebenfalls mit Europa-Parlaments-Hoffnungen) gründete, vom Landesverband dieser Partei jedoch nicht anerkannt und jüngst aus dem von ihm gegründeten Ortsverband ausgeschlossen wurde. Er hat nun flugs eine sog. „Mannheimer Volkspartei“ als Wahlvehikel für die Kommunalwahl 2019 kreiert. Die Reform des baden-württembergischen Kommunalwahlgesetzes vor der Wahl 2014 beflügelt solche ad hoc-Gründungen, da jetzt bereits 1% der Stimmen für ein Mandat ausreicht, welches eigentlich bei 48 Sitzen proportional etwas über 2% benötigen würde.
Auf Seiten der CDU gibt es ein ähnliches Phänomen in Gestalt des Stadtrates Taubert, der in der CDU nicht zum Zuge kam, darauf für die letzte Kommunalwahl „Mittelstand für Mannheim“ (MfM) gründete und mit knapp über 1% in den Gemeinderat einzog. Nach ca. der Hälfte der Wahlperiode schloss er sich der Fraktion Freie Wähler /Mannheimer Liste an, von der er sich mit Blick auf die kommende Kommunalwahl wieder trennte und mit dem Einzelstadtrat Lambert (einst AfD) nun die Gruppierung MfM betreibt.
(tht)