Lesung: „Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern“
Am 08.05.18 fand auf Initiative des Kreisverbands Die Linke in Frankenthal (Pfalz) eine Lesung mit der Heidelberger Historikerin Silke Makowski statt. Die Autorin las aus der gleichnamigen, vom Hans-Litten-Archiv herausgegebenen, Dokumentation über die Rote Hilfe in Deutschland in der Illegalität ab 1933. Vor der Lesung fand eine Kranzniederlegung am Gedenkstein für die russischen Zwangsarbeiter auf dem Frankenthaler Hauptfriedhof statt.
Der 08. Mai
An diesem Tag wird der Befreiung, in verschiedenen europäischen Ländern ein Gedenktag, der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht und somit des Endes des 2. Weltkrieges in Europa und der Befreiung vom Nazi-Terror-Regime 1945 gedacht. In der DDR war dieser Tag von 1950 bis 1967 und im Jahr 1985 (40. Jahrestag) ein gesetzlicher Feiertag. 1985 würdigte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in einer Ansprache im Deutschen Bundestag diesen Tag erstmals mit den Worten (Zitat sinngemäss): „der 8. Mai, Tag der Befreiung von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“.
Kranzniederlegung in Frankenthal
Mitglieder des KV Die Linke reinigten den Gedenkstein für russische Zwangsarbeiter auf dem Hauptfriedhof und nahmen eine Kranzniederlegung im Gedenken an die Toten, Vertriebenen und misshandelten Menschen während des zweiten Weltkrieges vor.
Die Rote Hilfe in Deutschland in der Illegalität ab 1933
Die Rote Hilfe engagierte sich als soziale Bewegung zwischen 1924 bis zu ihrer Selbstauflösung 1936. Bereits 1933 wurde sie unter dem Druck der NSDAP verboten. Ab 1933 begann damit die Arbeit in der Illegalität.
Die Autorin Silke Makowski setzte in ihrer Lesung die Schwerpunkte auf die zeitlichen Abschnitte „Rote Hilfe (RH) in der Weimarer Republik“, „RH in der Illegalität“, „RH im Großraum Pfalz“ und „RH nach der Befreiung“.
Es liegen bis heute nur sehr wenige Forschungsergebnisse über die Rote Hilfe vor. Bekannte Unterlagen befinden im Besitz des Bundesarchivs oder der Roten Hilfe bzw. noch unbekannterweise in privaten Händen.
Bereits ein Jahr nach ihrer Gründung 1924 zählte die Rote Hilfe rund 60.000 Mitglieder in über 990 Ortsgruppen im damaligen Reichsgebiet. 1933 lag die Zahl bei ca. 1 Mio. Mitglieder. Mit dem Verbot der Organisation 1933 suchten die Führungskräfte die Nähe zur KPD. Clara Zetkin, lange Jahre Vorsitzende der RH, setzte sich vor allem für Frauenrechte ein. Mit der Kampagne „MOPR ist Frauensache“ machte sie dies in der Öffentlichkeit deutlich (MOPR = russisches Pendant zur Roten Hilfe). Der Frauenanteil in der RH stieg von der Gründung 1924 mit 19% bis zum Verbot 1933 auf 27%. Und blieb damit unter den intern gesetzten Zielen.
Die RH verstand und versteht sich auch heute nicht als „rote Caritas“, sondern bot und bietet Unterstützung in juristischen Fragen an, in Sachen der Prozesskostenübernahme und als Unterstützer-Organisation linker Arbeiter- und Solidaritätsbewegungen.
Ab 1932 wurden neuntausend Inhaftierte und deren 32.000 Familienangehörigen von der RH unterstützt. Hinzu kamen weitere 10.000 linke und vom Hitler-Faschismus verfolgte Personen, die Hilfe erfuhren.
Die RH organisierte kulturelle Veranstaltungen, führte Spendensammlungen durch und machte diverse Solidaritätskampagnen. Eigene Publikationen erschienen reichsweit, regional oder auch nur lokal.
Auf das Verbot der Organisation war die RH 1933 schlecht vorbereitet. Das Vereinsvermögen wurde beschlagnahmt, tausende Mitglieder kamen in Schutzhaft. Viele weitere sind untergetaucht. In der Illegalität wurden die Arbeitsweisen umgestellt, welche auf regionaler oder lokaler Ebene sehr unterschiedlich erfolgte: Kurierlinien und geheime Poststellen wurden eingerichtet. Die Finanzierung durch die KPD wurde verstärkt. Hauptsächlich konzentrierte man sich dann auf die Unterstützung von Inhaftierten und deren Familienangehörigen. Die Medien, wie umfangreichere Schriften und Flugblätter mussten in geheimen Druckereien hergestellt oder aus dem benachbarten Ausland herangeschafft werden.
In der Westpfalz half die RH Verfolgten ins angrenzende Ausland zu flüchten. Hauptsächlich nach Frankreich und in die Niederlande. Hierhin existierten bereits Kontakte, die auch den Import dort hergestellter Druckschriften ermöglichten.
In der Folgezeit pflegte die RH auch Kontakte zur SPD-Spitze (im Exil), zu Gewerkschaften und Arbeitervereinen um die Arbeit aufrecht zu erhalten.
Nachdem die ersten Todesurteile und Hinrichtungen von RH-Funktionären durch das NS-Regime erfolgten, verlegte die Hilfsorganisation ihren Sitz zunächst ins damals unabhängige Saarland und nach dessen Annektierung ins benachbarte Lothringen (Frankreich).
In dieser Region war die RH ebenfalls aktiv. In Ludwigshafen/Rhein und Mannheim gab es Ortsgruppen mit über 8.000 Mitgliedern. Auch in Frankenthal, Hessheim und Viernheim gab es Organisationsstrukturen. Bekannte Solidaritätsgruppen existierten in Lambrecht, Maxdorf und Lambsheim. Mischgruppen aus RH und KPD sind aus Kaiserslautern und Pirmasens bekannt.
Ab 1945 und die Rote Hilfe heute
1944 erschütterte die RH eine weitere massenhafte Verhaftungswelle, welche die Organisation weiter schwächte. Die Überlebenden der RH engagierten sich ab 1945 im Aufbau neuer demokratischer Parteien in Deutschland, in Gemeinschaften ehemaliger Lagerinsassen und bei der Gründung des VVN-BdA. 1956 mit dem Verbot der KPD trat die RH bei Gerichtsprozessen wieder öffentlich auf. In den 1970’er Jahren erfolgte mit Gründungen von Ortsgruppen und Solidaritäts-Komitees die Rückbesinnung auf die Wurzeln der Organisation.
Die RH hat heute rund 9.000 Mitglieder und versteht sich als linker strömungsübergreifender Solidaritätsverein, der sich insbesondere in der Rechtsberatung, aber auch in der geschichtlichen Aufarbeitung betätigt.
Exkurs: Lilo Hermann 1938 in Berlin-Plötzensee hingerichtet
Liselotte Hermann (geb. 1909 in Berlin) wurde durch die Henker des NS-Regimes unter dem Fallbeil 1938 hingerichtet. Lilo Hermann war eine engagierte Kommunistin und hatte sich Zeit ihres politischen Lebens für Frauenrechte, in der Roten Hilfe und gegen Faschismus engagiert. Die Kampagne der RH gerichtet an Ehefrauen von NSDAP-Funktionären zum Schutz der Aktivistin war leider trotz deren Interventionen erfolglos. Lilo Hermann gewidmet ist ein alternatives Kulturzentrum in Stuttgart-Heslach.
Die schriftliche Dokumentation „Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern – Die Rote Hilfe Deutschlands in der Illegalität ab 1933“ ist u.a. hier erhältlich:
https://www.jungewelt-shop.de/makowski%20gefangenen%20hitlers%20kerkern
Fragen zu Vorträgen mit der Autorin beantwortet:
http://www.hans-litten-archiv.de/web/
(Bericht: Christian Ratz / Fotos: Christian Ratz und weitere mit freundlicher Genehmigung von Silke Makowski und von privater Seite / Video: David Schwarzendahl)