Rede von Sebastian Höhn* – Der Kampf um ausreichend Personal ist grundlegend für ein gutes Gesundheitswesen!
Hallo, ich bin Sebastian Höhn und arbeite als Gesundheits- und Krankenpfleger hier im Klinikum, in einem onkologischen Bereich. Am Klinikum bin ich zudem der Sprecher der ver.di-Vertrauensleute.
Danke dass ich heute die Gelegenheit habe, kurz über die aktuelle Situation in unserem Krankenhaus zu berichten. Ich habe mir lange Gedanken gemacht wie ich euch am besten und einfachsten verdeutlichen kann wie angespannt die Lage bei uns momentan ist.
Eins möchte ich gleich zu Beginn sagen: Die Situation wird von vielen Kolleginnen und Kollegen inzwischen als schlicht unerträglich empfunden.
Wie komme ich zu der Aussage? Neben der Tatsache dass die Zahl der sogenannten Überlastungs- und Qualitätsanzeigen auf einem hohen Stand ist, sind auch die darin geschilderten Situationen zunehmend erschreckender. Ich werde euch jetzt hier keine einzelnen Fälle schildern, keine Angst. Aber glaubt mir, die Schilderungen können einem im ersten Moment die Tränen in die Augen treiben und im zweiten Moment machen sie einen unheimlich wütend!
Die allermeisten dieser schlimmen Situationen könnten vermieden werden, wenn mehr Personal zur Versorgung der Patienten da wäre.
Das fällt einem sofort ins Auge! Dass hier nicht noch viel mehr passiert, ist schlicht dem Umstand zu verdanken, dass viele Kolleginnen und Kollegen ein extrem hohes Gewissen haben und oft über ihre persönlichen Grenzen gehen! Das führt dazu, dass viele schon permanent mit einem Fuß im Burnout stehen oder aber ganz am Druck, der auf ihnen lastet, zerbrechen!
In einer solchen Situation sollte man eigentlich erwarten können, dass eine Geschäftsführung alles, also wirklich alles daran setzt, sich erkennbar dafür einzusetzen das diese katastrophale Personalsituation behoben wird! Also in der Konsequenz Stellen aufgebaut werden.
Das setzt voraus, dass das Problem als solches überhaupt erkannt und vor allem dann auch ernst genommen wird. Wie sieht es stattdessen bei uns aus? Die Geschäftsführung ist der Meinung, es handele sich hier doch um eine irgendwie nur gefühlte Belastung! Das ist eine Haltung, die nicht gerade dazu beiträgt, dass sich Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag das Letzte aus sich heraus holen und damit dafür Sorge tragen, dass der Laden nicht auseinanderfliegt, sich wertgeschätzt und ernst genommen fühlen.
In dieser allgemein schon schwierigen Situation beschließt die Geschäftsführung, die Pflegedirektion abzuschaffen.
Diese drastische Maßnahme traf viele, auch den Betriebsrat, völlig überraschend! Informationen im Vorfeld? Ein erkennbares und nachvollziehbares Konzept zur Personalplanung und Entwicklung raus aus der Krise? Fehlanzeige! Wie vermutlich viele von euch haben auch wir Beschäftigten mehr oder weniger aus der Zeitung erfahren müssen, was hier gerade passiert!
Aus den zahlreichen Gesprächen der letzten 14 Tage mit den Kolleginnen und Kollegen kann ich euch berichten, daß diese Maßnahme zu Unverständnis und Wut geführt hat!
Der enorme weitere Vertrauensverlust in die Geschäftsführung und ihr Umgang mit den Beschäftigten sind nach meiner Meinung auf absehbare Zeit nicht wieder gut zu machen!
Viele im Betrieb verstehen auch nicht, warum sich bis heute der Aufsichtsrat nicht zu der als krasse unternehmerische Fehlentscheidung wahrgenommenen Maßnahme, geäußert hat! Viele im Betrieb haben Angst um ihren Arbeitsplatz! Viele haben Angst um die Zukunft des Klinikum und wollen wissen, wie es weitergeht!
Es ist also allerhöchste Eisenbahn, dass hier Maßnahmen ergriffen werden, die das verlorene Vertrauen wieder herstellen!
Die Hütte brennt! Und dieser Brand kann nur gelöscht werden mit Maßnahmen für mehr Personal…
… und nicht mit weiterem Abbau oder Auslagerungen! Wir brauchen dringend Entlastung und eine Geschäftsführung, die das ernst nimmt! Anscheinend ist es in diesem Land zwingend notwendig, den Druck auf die Straße zu tragen bzw. mit entsprechenden Arbeitskampfmaßnahmen dafür zu sorgen, dass sich etwas bewegt.
An dieser Stelle sei auf die Kolleginnen und Kollegen des Uniklinikums Heidelberg verwiesen, die im Rahmen der Tarifbewegung Entlastung, einen Tarifvertrag erstritten haben, in dem ein Stellenaufbau geregelt ist. Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle für das Ergebnis!
Auch wenn dieser Tarifvertrag sicher nicht die langfristig nachwirkende Entlastung darstellt, die notwendig wäre, ist es doch immerhin ein Anfang, der in die richtige Richtung weist! Die Erfahrungen, die die Kolleginnen und Kollegen in den Streikmaßnahmen gesammelt haben können ihnen sowieso nicht mehr genommen werden! Und was die Heidelbergerinnen und Heidelberger können, das können wir auch!
Ich persönlich halte es für einen Skandal, dass wir in einem reichen Land wie Deutschland erst auf die Straße gehen müssen um für genug Personal zu streiken!
Die Lösung ist doch so simpel! Wir brauchen eine gesetzliche Personalbemessung!
Leider steht diese Forderung fundamental gegen das wettbewerbsorientierte Profitinteresse der Krankenhauskonzerne, bzw. gegen das Fallpauschalensystem! Dieses ist aber kein Naturgesetz des Marktes, sondern von Menschen gemacht! Deshalb ist es auch veränderbar, und dafür kämpfen wir!
Dieser Kampf des letzten Jahres scheint die Bundesregierung durchaus beeindruckt zu haben, sonst hätten wir vermutlich nicht Jens Spahn als neuen Gesundheitsminister präsentiert bekommen!
Einen Marktradikalen, der den Wettbewerb und die zunehmende Warenförmigkeit der Gesundheit nicht als Problem begreift! Also genau der richtige Mann, für die sich anbahnenden harten Auseinandersetzungen im Gesundheitswesen!
An dieser Stelle kann ich euch versprechen, wir werden nicht nachlassen und weiterhin versuchen den notwendigen Druck auf die Bundesregierung aufzubauen! Jetzt werden einige von euch sagen, „Ja schön und gut, steht denn gar nichts brauchbares im neuen Koalitionsvertrag?“
Schauen wir dort nach, gibt es tatsächlich Erwähnenswertes. Zum einen steht da, dass die neue Regierung zukünftige Tarifsteigerungen im Krankenhaus zu 100% refinanzieren möchte. Eine sicherlich gute Entscheidung, die in die richtige Richtung geht!
Eine „Personaluntergrenze für Pflegesensitive Bereiche“ war angedacht, soll nun auch auf „nicht sensitive Bereiche“, was soll das überhaupt sein, ausgeweitet werden. Die ersten Vorschläge, wie das konkret aussehen soll, lassen mich eher zweifeln, dass hier wirklich ein Instrument geschaffen wird, welches einen realen Personalbedarf abbildet. Wir dürfen gespannt sein.
Des Weiteren steht im Koalitionsvertrag, dass es 8.000 neue Stellen in den Altenpflegeeinrichtungen geben soll. Hört sich viel an und ist sicher nicht nichts, aber bei 13.000 Einrichtungen sind das gerade mal 0,6 Stellen pro Einrichtung. Ob das die notwendige Entlastung für die Altenpflege ist, wage ich mal zu bezweifeln.
Bis jetzt steht das allerdings auch alles nur auf dem Papier! Auch hier werden wir dafür sorgen müssen, dass die wenigen kleinen Maßnahmen schnell umgesetzt werden!
In besagtem Koalitionsvertrag steht aber noch etwas ganz anderes. Zwar an komplett anderer Stelle aber trotzdem wie ich finde für uns Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter von Relevanz. Die neue Bundesregierung hält an ihren 2014 beschlossenen Aufrüstungsplänen fest. 2% des BIP sollen im Rahmen der NATO-Richtlinien für allerlei Militärgerät ausgegeben werden. Wir reden hier von einer Verdopplung des Rüstungshaushalts von derzeit ca. 37 auf 74 Milliarden Euro! Diesen irrsinnigen Hochrüstungsplänen müssen wir mit aller Entschlossenheit in den Arm fallen!
Wer in der Politik behauptet, es sei kein Geld da für Krankenhäuser, oder auch Kitas und Schulen, der hat entweder seinen Taschenrechner verschlampt oder aber er sagt bewusst nicht die Wahrheit!
Schluss mit der Aufrüstung, Abrüsten statt Aufrüsten! Gebt das Geld für die wichtigen gesellschaftlichen Belange aus, nicht für die Vorbereitung der nächsten Kriege!
Und was können wir jetzt konkret hier in Mannheim tun?
Wir haben heute im Rahmen der Demo, eine kleine Aktion gestartet und Unterschriften gesammelt. In unserem Patientenbett welches wir hier sehen ist leider kein Platz mehr für die Bedürfnisse der Patienten! Gepflegt werden nur noch die möglichen Gewinne! Hauptsache die Geldsäcke werden schön dick!
Das ist ein Sinnbild für die Logik unseres Gesundheitssystems. Solange Wettbewerb und Profitmaximierung an erster Stelle stehen, kommen die Interessen von Patienten und Beschäftigten unter die Räder!
Ich bitte euch um eure Unterschrift auf der Liste. Wir wollen morgen auf unserer Betriebsversammlung der Geschäftsführung möglichst viele dieser Listen überreichen um zu zeigen, dass nicht nur wir Beschäftigte, sondern auch viele Menschen in Mannheim nicht mit der gegenwärtigen Entwicklung einverstanden sind!
Unterstützt uns in unserem Kampf um die Zukunft des Klinikums!
Dass genug Personal da ist, um anständig arbeiten zu können! In diesem Sinne: Mehr von uns ist besser für alle!
Sebastian Höhn*VL-Sprecher am Klinikum Mannheim auf der Mai-Kundgebung