Von Jobcentern, Verantwortlichkeiten und Verschwendung – Ein Kommentar von Harald Weber
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so anmutet, sind Jobcenter ein kommunales Thema. Mehrere tausend Bürgerinnen und Bürger sind in Mannheim als Leistungsbezieher diesem System unterworfen. Das Jobcenter Mannheim eine gemeinsame Einrichtung der Vertragspartner Stadt Mannheim und der Bundesagentur für Arbeit. Floskeln wie „Das wird ja alles vom Bund delegiert“ oder „Das wird alles von oben herab bestimmt, wir unterliegen der Fachaufsicht der Bundesagentur für Arbeit und haben keinerlei Einfluss“ dienen nur dazu, die eigene Mitverantwortung der Stadt Mannheim als Vertragspartner des Jobcenters zu leugnen. Auch wird gerne vergessen, dass Jobcenter vom Steuerzahler finanziert werden.
Der Mannheimer Bürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) hat eine Beschlussvorlage zur Debatten des laufenden Haushaltes eingebracht. So stuft er beispielsweise Kürzungen der Leistungen für Integrationsmaßnahmen (Weiter-/Ausbildung) des Jobcenters zugunsten der Verwaltung als unerlässlich ein. Inhaltlich sei deshalb eine Umschichtung von 15 % zum Nachteil der Leistungsbezieher nötig. Hier sei erwähnt, dass die Kosten für Aufwand und Verwaltung des Jobcenters und die Fördergelder für erwähnte Bereiche zusammengeworfen aus einem gemeinsamen Budget entnommen werden.
Seit Jahren nimmt bundesweit der Anteil der Verwendung für Integrationsmaßnahmen ab. Es wurden Fördergelder in der Höhe von über 600 Millionen Euro gestrichen, während im gleichen Zeitraum der Verwaltungsaufwand auf über 700 Millionen Euro gestiegen ist. Ein eindeutiger Trend hin zu einem reinen Verwaltungs- und Kontrollsystem. Die SPD-geführte Mannheimer Stadtverwaltung folgt voraussichtlich gemäß Ihrer Auffassung und Ihrem Empfinden für soziale Gerechtigkeit diesem Kurs .
Sie haben die arbeitssuchende und von Armut betroffene Bevölkerung schon lange von ihrer Agenda gestrichen. Ein „Überleben“ am untersten Existenzminimum, ein Dasein am Rande der Gesellschaft ohne wirkliche Chancen zu einen sozialen Aufstieg, ein unabhängigmachendes sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis als unerreichbar vor Augen – dieses Schicksal scheint bei den meisten Mannheimer KommunalpolitikerInnen nicht im Fokus zu liegen.
Denn eines ist sicher: Eine vernünftige Förderung mit einer nachhaltigen Wirkung ist auf Dauer günstiger als die steuerfinanzierte „Arbeitslosenverwaltung“. Wir brauchen echte Chancen für arbeitsuchende Menschen, nicht noch mehr Bürokratie. Doch das scheint auf politischer Ebene nicht gewollt und entspricht offenbar nicht der „Wünschewelt“ von Arbeitsministerin Nahles.
Auch die Frage nach einer sinnvollen Verwendung der Steuergelder für die sogenannte Reintegration von Langzeitarbeitslosen in Mannheim dürfte in der Diskussion interessant sein. Denn auch diese kommen aus dem erwähnten Budget, auf das die politisch Verantwortlichen ein Mitspracherecht haben.
Wie Kontrolleure des Bundesrechnungshofs feststellten, liegt in Sachen verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern so einiges im Argen. Blickt man auf das Jahr 2014, wurden bundesweit über 100 Millionen Euro an Steuergeldern in den Sand gesetzt. Die Kontrolleure kamen zur erschreckenden Erkenntnis, dass wahllos, teilweise ohne zu wissen wofür, von Mitarbeitern der Jobcenter für zweifelhafte Anbieter 75 % der Lohnkosten erstattet wurden. Millionen wurden für dubiose Anbieter von sogenannten Integrationsmaßnahmen ausgegeben, ohne dass klar war, worum es eigentlich ging oder gar über Erfolg oder Misserfolg Auskunft gegeben werden konnte.
Dies wirft die Fragestellung auf, wie es in Mannheim aussieht. Ich bin neugierig und glaube, viele Mannheimer BürgerInnen würde interessieren, wer sich in der etablierten Armutsindustrie (Stichwort div. Schulungsmaßnahmen) rund um das Jobcenter die letzten Jahre ein goldene Nase verdient hat.
Eventuell sollten die davon Begünstigten wie Biotopia und Co. dem Bürger mal etwas mehr präsentieren als eine hübsche, inhaltsleeren Homepage ohne Zahlen und ohne klaren Ergebnissen ihrer Maßnahmen, keine genauen Informationen wie das ist, mit dem Kuddelmuddel- auf der einen Seite ein Wirtschaftsuntenehmen zu sein, und gleichzeitig Integrationshelfer in den Arbeitsmarkt. Entsteht hier nicht ein Interessenskonflik?
Wir sollten nicht vergessen, politische Verantwortliche, sei es auf nationaler oder auch kommunaler Ebene, sind vom Volk gewählt. Manchmal sollte daran erinnert werden, dass Politik dem Volk und der Allgemeinheit zu dienen hat – und man sollte verstehen, dass zur Allgemeinheit selbstverständlich auch der am Existenzminimum lebende Rentner, die schichtarbeitende Krankenschwester und der Arbeiter bei Benz gehören. Wir müssen wieder hin zu einem Masterplan für den Mensch – auch und gerade in Mannheim.
Die Kommualpolitik muss wieder hin zum Bürger. Kurze Wege sind gefragt, kommunale Volksvertreter sollten sich wieder mehr auf ihre Mannheimer Wurzeln besinnen. Mannheim ist und bleibt eine Arbeiterstadt – das bedeutet: Ehrlichkeit, Mut und soziale Verantwortung für alle Mannheimer Bürgerinnen und Bürger. Das könnte dabei helfen, bei den nächsten Wahlen die Stadtteile, in denen die ausgegrenzten und alternativlos gemachten MannheimerInnen leben, nicht zum erneuten Sprungbrett für Kandidaten der AfD zu werden zu lassen.
Anfangen könnte man bei der Nomenklatur: Streichen wir abwertende Bezeichnungen wie „sozial schwach“ – diese Phrase ist gleichgestellt mit „nicht gesellschaftsfähig“ und „asozial“.
Denn wenn Armut als sozial schwach definiert wird, wie soll man dann erst die bezeichnen, welche diese Armen für ihren Profit ausnutzen, und an welcher Form der Armut leiden die, welche das begünstigen oder wegsehen?
Harald Weber